Der Faktencheck der Grünen Wirtschaft nimm kursierende Mythen aus dem Kosmos der österreichischen Wirtschaft und stellt sie auf den Prüfstand.
In dieser Ausgabe widmen wir uns der Technologieoffenheit.

Mythos:

Es braucht Technologieoffenheit – mit neuen Technologien werden wir die Klimawende schaffen.

Fakt:

Technologieklarheit schafft Planungssicherheit für Unternehmen

Offenheit gegenüber neuen Technologien, mit denen wir die Klimakatastrophe verhindern. Klingt gut? Vielleicht sogar logisch? Schauen wir uns die Argumente doch ein wenig genauer an:

Konservative Kräfte, allen voran die ÖVP und die vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte Wirtschaftskammer, fordern Technologieoffenheit. Man solle sich nicht gegenüber neuen Wegen zur Lösung der Krise verschließen. Es gehe um das Ziel, nicht um den Weg dorthin. Und woher sollen wir heute wissen, welche Technologien uns in den nächsten Jahrzehnten zur Verfügung stehen werden?

Das alles macht auf den ersten Blick durchaus Sinn: Wir werden neue Technologien brauchen und so lange diese den CO₂-Ausstoß deutlich reduzieren und auch sonst keine allzu negativen Auswirkungen auf Natur und Umwelt haben, sollten wir sie nutzen.

Was spricht dann aber gegen Technologieoffenheit?

Das Problem an der ganzen Diskussion und der Art und Weise, wie der Begriff Technologieoffenheit verstanden wird, ist Folgendes:

„Politisch und wirtschaftlich werden häufig Technologien beworben, die noch nicht marktreif oder nur für Nischen geeignet sind. Ihre Anwendungsmöglichkeiten werden dafür stark überzeichnet. Solche Technik-Trugbilder führen dazu, dass der Ausbau jener Technologien verschleppt wird, die schon erprobt und einsatzbereit sind. Die Folge: Öl, Gas und Kohle bleiben weiter im Einsatz. Das zeigen etwa die Debatten um Verbrennermotoren oder beim Heizen.“[1]

Es lassen sich zwei Grundmotive erkennen, die der Argumentation um Technologieoffenheit zugrunde liegen:

  1. Die eine Motivation der Prediger:innen von Technologieoffenheit ist es (oft aus wirtschaftlichem Interesse) alte Technologien so lang wie möglich weiternutzen zu können. Das sehen wir z.B. bei der Diskussion um E-Fuels, mit denen der alte Verbrennermotor (und die damit verbundene Infrastruktur) weitergenutzt werden kann oder wenn es um synthetische Brennstoffe für Heizungen geht, die den weiteren Einsatz und Verkauf von fossilen Gas- und Ölanlagen ermöglichen soll.
  2. Die zweite Motivation stützt sich auf (noch) nicht verfügbare Technik-Trugbilder: Es wird behauptet, wir müssen nur auf die eine Technologie[2] warten, mit der wir die drohende Katastrophe rein technisch lösen können. Der Subtext dieser Argumentation: Wir brauchen jetzt nichts an unserem Lebensstil ändern; es reicht, nahezu messianisch inspiriert, auf die (Er)Lösung durch technologischen Fortschritt zu warten[3].

Brauchen wir noch mehr (neue) Technologie?

Klar ist, dass technologische Lösungen und Entwicklungen einen bedeutenden Anteil zur Lösung beitragen. Klar ist aber auch, dass wir schon die meisten Technologien für die notwendige Reduktion von Emissionen haben: „Windkraft und Photovoltaik, Batterien, Wärmepumpen oder Elektro-Fahrzeuge. Um die Transformation möglichst rasch voranzubringen, müssen sie ausgebaut und überall dort eingesetzt werden, wo sie Öl, Kohle und Gas ersetzen können.“[4]

Das Propagieren von Technologie-Trugbildern und die damit einhergehende Aufrechterhaltung des Status Quo gefährden die Erreichung der Ziele, die wir uns gesetzt haben.

Es braucht Technologieklarheit

Gerade für Unternehmen, die in Anlagen, Fuhrparks oder Forschung investieren, ist es wichtig zu wissen, wohin die Reise geht. Planungssicherheit bzgl. der Technologien, aber auch der CO₂-Reduktionsziele und der verfügbaren Energie sind essenziell, um unternehmerisch langfristig planen zu können. Falsche Investitionen in Infrastruktur binden notwendige Mittel für die Transformation und ketten Unternehmen (aber auch die öffentliche Hand) an fossile und damit auslaufende Technologien. Die Wissenschaft, aber auch der Markt selbst[5], hat in vielen Bereichen den Weg hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft skizziert. Scheinlösungen unter dem Deckmantel der Technologieoffenheit verzögern und verwässern den Diskurs und gefährden Planungssicherheit für Unternehmen.

Zusammenfassung:

Der blinde Glaube an neue Technologien, die damit einhergehende Verankerung des Status Quo, aber auch der Irrglaube, dass technologische Lösungen uns erlauben, unsere Lebensweise nicht adaptieren zu müssen, gefährden unsere selbstgesetzten Klimaziele. Statt dem weltanschaulich gefärbten Propagieren von Technologieoffenheit, müssen wir verstärkt auf die vorhandenen Technologien setzen, diese ambitioniert ausbauen und auch unsere Lebensweise im Sinne der Klimaziele adaptieren.

Um die ökologische Transformation der Wirtschaft zu schaffen, braucht es Technologieklarheit für Unternehmer:innen. Gerade die vom ÖVP-Wirtschaftsbund dominierte Wirtschaftskammer sollte sich von quasireligiösen Erlösungsfantasien verabschieden und für Planungssicherheit ihrer Mitglieder eintreten.

„Um diese notwendige Technologieklarheit zu schaffen und zu einer konstruktiven Debatte über den Einsatz von Technologien zurückzukommen, ist es wesentlich, Technik-Trugbilder zu erkennen und zu entkräften oder ihnen vorzubeugen.“[6]

Du willst mehr?

Hier gelangst zu unserem ersten Faktencheck, welcher dem Mythos nachgeht, ob sich die Wirtschaftskammer tatsächlich zu den Klimazielen bekennt. Hier zum Faktencheck über die vermeintliche Abwanderung der Industrie. Und hier zum Faktencheck über E-Fuels.

 

Quellen:

[1] https://kontext-institut.at/inhalte/konklusio-technologieklarheit/

[2] Oft wird in diesem Kontext von Carbon Capture and Storage (CCS) gesprochen – Technologien, die es uns ermöglichen werden, CO2 aus der Atmosphäre zu extrahieren und sicher zu lagern.

[3] „Und unsere Sünden nahm er auf sich“

[4] https://kontext-institut.at/inhalte/konklusio-technologieklarheit/

[5] Siehe z.B. den Großteil der Automobilkonzerne, für die der E-Antrieb ohne Zweifel die Lösung ist.

[6] https://kontext-institut.at/inhalte/konklusio-technologieklarheit/