Elternschaft und Selbstständigkeit unter einen Hut zu bekommen, ist für viele Unternehmer:innen eine tägliche Herausforderung.

Im Zuge des Themenschwerpunkts Elternschaft hat die Grüne Wirtschaft mit Unternehmer:innen mit Kindern gesprochen. Im Interview erzählt die Vorarlberger Grafikerin Katy Bayer von den strukturellen Hürden und Missstände in der Ausgestaltung von Kinderbetreuungsgeld und Wochengeld sowie ihren Erfahrungen als Mutter und Unternehmerin.

 

Grüne Wirtschaft: Katy, du hast Wochengeld und Kinderbetreuungsgeld bezogen – wie waren deine Erfahrungen damit?

Katy Bayer: Es war eine Katastrophe. Allem voran finde ich, dass sowohl das Wochengeld als auch das Kinderbetreuungsgeld insgesamt zu niedrig sind. Ohne einen Partner ist es kaum möglich ein normales Gehalt damit aufzufangen. Und strukturell finde ich es auch wahnsinnig elend – speziell das Kinderbetreuungsgeld. Es ist als Selbstständige sehr unrealistisch, dass man ein Jahr lang diese Leistungen bezieht und danach mit gleichem Einkommen wie zuvor nahtlos wieder einsteigen kann.

Ein großes Problem für mich war die Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld. Nicht einmal mein Steuerberater konnte mir genau sagen, was ich während des Bezugs netto dazuverdienen darf. Es war immer eine Schätzung nach dem Motto: „lieber ein bisschen darunter bleiben“. Dabei wird auch nicht anhand des Gesamtbetrags berechnet, sondern Monat für Monat extra. Ich hatte dann zum Beispiel das Problem, dass eine Agentur gut gemeint zwei offene Rechnungen gleichzeitig bezahlt hat – beide gegen Monatsende. Damit war ich über der Zuverdienstgrenze. Ich weiß noch, dass ich mir damals phasenweise gedacht habe, ich hätte lieber auf dieses Geld verzichtet, weil es so viel Stress mit sich gebracht hat, diese Grenzwerte einzuhalten. Und die Bestrafung bei Überschreitung ist exorbitant.

Überschreitet man in nur einem Monat die Zuverdienstgrenze, zahlt man am Ende das komplette Kinderbetreuungsgeld retour. Du wirst also eigentlich dafür bestraft, dass du versuchst, deine Selbstständigkeit aufrechtzuerhalten.

Grüne Wirtschaft: Um Wochengeld zu beziehen, muss man vorab entweder sein Gewerbe ruhend melden oder aber eine Betriebshilfe anstellen. Welche Überlegungen sind bei dir in diese Entscheidung miteingeflossen?

Katy Bayer: Mein Hauptgedanke war dabei immer: Warum bekommt man das nicht einfach? Warum muss man dabei überhaupt irgendeinen Passus erfüllen? Warum muss ich dafür sorgen, dass jemand kommt und mir in meinem Business weiterhilft? Als Angestellte würden sich diese Fragen nicht stellen.

Ich bin EPU und das bedeutet, dass niemand meine Abläufe kennt.

Die Überlegung zwischen Ruhendmeldung und Betriebshilfe stellte sich mir überhaupt nicht, weil man ja bei einer Ruhendmeldung quasi das Gewerbe an den Nagel hänge. Und ich wusste ja auch nicht, bis wann ich eigentlich genau arbeiten kann. Wie lange bin ich in der Lage überhaupt, etwas zu tun?

Grüne Wirtschaft: Hat die Elternschaft per se für dich ein finanzielles Minus bedeutet?

Katy Bayer: Ja, selbstverständlich.

Ich hätte von dem Kinderbetreuungsgeld nicht einmal meine laufenden Kosten decken können. Ohne Zuverdienst, ohne Unterstützung oder ohne das Einkommen meines Mannes wäre das gar nicht gegangen. Um zumindest eine gewisse Planungssicherheit zu gewährleisten, haben wir uns für das pauschale Kinderbetreuungsgeld entschieden.

Wäre ich Alleinerziehende gewesen, wäre sich das aber finanziell nicht ausgegangen.

Ich hätte wahrscheinlich einfach ein Jahr lang mit meinem Baby in Armut gelebt. Daran erkennt man auch die altertümliche Haltung hinter dem System. Nämlich, dass man auf jeden Fall gemeinsam mit einem Partner lebt und Unterstützung bei der Betreuung von der Familie erhält – dieser ganz klassische, konservative Überbau.

Grüne Wirtschaft: Wo und wie hast du dich zum Thema Selbständigkeit und Elternschaft informiert?

Katy Bayer: Diese klare, transparente Informationsquelle gibt es überhaupt nicht. Am besten hat das also im Austausch mit Frauen funktioniert, die bereits selbst Erfahrungen gesammelt haben.

Das System funktioniert nur für sehr große oder mittlere Unternehmen. Dort funktioniert die Aufteilung der Arbeit anders, als bei einer One-Woman-Show. Ich habe das Gefühl, dass EPU gar nicht mitgedacht wurden. Das Erschreckende dabei ist, dass wir aber die Mehrheit der UnternehmerInnen in Österreich ausmachen. Die Zahl der EPU ist in Österreich sehr hoch – und weiblich. Wir fallen aber immer durch Löcher oder werden gar nicht richtig wahrgenommen.

Grüne Wirtschaft: Was würdest du am System konkret ändern, wenn du könntest?

© Broell.cc

Katy Bayer: Ich würde tatsächlich zwei Sachen ändern wollen. Das eine ist eine Grundeinkommen für werdende Mütter, bei dem man für ein Jahr finanzielle Unterstützung erhält, die es ermöglicht, tatsächlich davon zu leben. Und nach diesem Jahr bräuchte es eine Übergangsfrist. Das könnte man wieder einkommensabhängig machen und die Möglichkeit geben, langsam wieder aufzubauen.

Mein zweiter Wunsch wäre eine flexible Gestaltung von Kinderbetreuung.
Und zwar so, dass auch kleine Kinder betreut werden können und ich je nach Auslastung flexibel in der Inanspruchnahme bin. Denn als Selbständige ist nun einmal jeder Tag anders.

Wir bedanken uns für das Interview!

Zur Person:

Mag. (FH) Katy Bayer arbeitet seit 2012 als freie Grafikerin in Bregenz. Informationen zum “Grafikbüro Grünkariert” finden Interessierte hier.