Aktuell widmet sich die Grüne Wirtschaft intensiv dem Thema Elternschaft und Selbstständigkeit. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen bieten wir sowohl Expert:innengespräche und Servicebeiträge als auch Interviews mit selbstständigen Eltern. Denn: Selbstständigkeit und Elternschaft sind in Österreich aus struktureller Sicht keine Selbstverständlichkeit. Aber warum ist das so und was braucht es, um diesen Umstand zu verbessern?

Selbstständige Frauen sind schlechter sozial abgesichert

Die gute Nachricht vorweg: Die österreichische Wirtschaft wird weiblicher: Etwa 50 % der Neugründer:innen sind Frauen – vor 30 Jahren waren es noch halb so viele. Mittlerweile sind auch 47 % der WKÖ-Mitglieder Unternehmerinnen. Aber: Gleichzeitig lässt sich aus den Zahlen der Sozialversicherungen entnehmen, dass unselbstständig Beschäftigte 2,5-mal häufiger ein Kind bekommen als Selbständige. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Fakt ist jedoch, dass Kleinunternehmerinnen und EPU in Österreich schlechter sozial abgesichert sind, als Personen in Angestelltenverhältnissen. Und innerhalb der Gruppe der Selbstständigen sind Frauen noch einmal stärker betroffen.

In diesem Artikel wollen wir einen genaueren Blick auf die Hürden und Herausforderungen von Selbständigen in puncto Elternschaft werfen und darauf eingehen, was sich am jetzigen Sozialsystem ändern muss.

Die Geburtenrate ist unter Selbstständigen 2,5-fach geringer – Woran liegt das?

Die Entscheidung Kinder zu bekommen ist eine hochpersönliche und beruht auf individuelle Abwägungen sowie Lebens- und Wertvorstellung.

So gut das österreichische System der sozialen Absicherung im internationalen Vergleich auch sein mag, stammt es aus einer Zeit, in der Erwerbskarrieren  wenig heterogen waren. Heißt: Die Sicherungssysteme sind auf den in Vollzeit erwerbstätigen, männlichen Dienstnehmer zugeschnitten. Gerade in den letzten beiden Jahrzehnten wurden die daraus resultierenden Lücken der Sozialversicherungssysteme immer deutlicher: der rasante Anstieg der Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben, die deutliche Zunahme von EPU, neuen Selbstständigen und prekär sowie a-typisch Beschäftigten sowie der markante Rückgang von linearen Erwerbskarrieren zeigen die Schwachstellen der aktuellen Systematik von sozialer Absicherung auf.

So hinken z.B. die sozialen Sicherungssysteme für Selbstständige im Allgemeinen, aber besonders im Bereich der Elternschaft, ganz deutlich denen von unselbstständig Beschäftigten hinterher.

Wo genau hakt es?

Unternehmerinnen müssen für den Bezug von Wochengeld eine Entscheidung treffen: entweder sie melden ihr Gewerbe ruhend, oder sie überbrücken die Zeit des Wochengeldbezugs mit einer externen Betriebshilfe. Beide Varianten haben ihre Tücken:

Die Ruhendmeldung ist zum Beispiel für EPU, deren Aufträge und deren Bezahlung sich nicht an Kalendermonaten ausrichtet praxisfern. Zwar ist die Stilllegung der Tätigkeit damit »amtlich« beschieden, ein Unternehmen lässt sich aber nicht einfach für insgesamt 16 Wochen ohne Konsequenzen vom Markt nehmen. Auch für die Inhaberinnen des Gewerbescheins von juristischen Personen führt die Ruhendmeldung des Gewerbes zu Problemen im operativen Weiterbestand des Unternehmens.

Die Alternative, nämlich das Unternehmen nicht ruhend zu melden und eine Betriebshilfe einzustellen, ist ebenso realitätsfremd: gerade für EPU, bei denen die unternehmerische Expertise ganz in der Hand der Unternehmerin liegt, kann eine Betriebshilfe zum Weiterbestand des Unternehmens häufig wenig bis gar nichts beitragen. Geeignete Personen sind nämlich schwer zu finden. Damit können in der Regel nur reine Verwaltungsarbeiten fortgeführt werden. Die operative Umsetzung von Aufträgen ist durch eine kurzfristige Ersatzkraft kaum möglich. Eine weitere Krux ist, dass die Betriebshilfe zwar finanziert wird, jedoch gleichzeitig kein Wochengeld zusteht. Damit bleibt unterm Strich für die Unternehmerin in den Wochen vor und nach der Geburt kein Einkommen über.

Wie lösen wir das Problem?

Die Grüne Wirtschaft setzt sich für strukturelle Verbesserungen beim Wochengeld für Selbständige ein:

  • Die Verpflichtung zur Ruhendmeldung des Gewerbes während des Bezugs von Wochengeld soll gänzlich entfallen
  • Eine Ersatzkraft, finanziert durch die SVS, kann in Anspruch genommen werden
  • Im Zeitraum des Wochengeldbezugs entfallen die Beiträge zur SVS antragslos zur Gänze

Was braucht es sonst noch?

  • Ganztägige Kinderbetreuung
    Lücken bei der Kinderbetreuung stellen für Unternehmer:innen große Hürden dar. Gerade die schnelllebige und oft kurzfristige organisierte Arbeitsrealität von Unternehmer:innen ist ohne verlässliche und breit aufgestellte Betreuung der Kinder oft nicht zu bewerkstelligen
  • mutigere Regelung des Pensionssplittings
    die aktuelle Systematik des freiwilligen Splittings der Pensionsansprüche führt oft zu Konflikten. Es braucht ein verpflichtendes Pensionssplitting während der Zeit der durch die Kinderbetreuung reduzierten unternehmerischen Tätigkeit

Du willst mehr erfahren?

Im Zuge des Themenschwerpunktes Elternschaft teilt Grafikerin Katy Bayer ihre Erfahrungen mit einem System, das die Lebensrealitäten von EPU kategorisch ausklammert. Jetzt lesen!